„Vereinigte Wäschefabriken Juhl & Helmke”
Die Wäschefabrik ging aus einem Bielefelder Aussteuergeschäft hervor und hieß seit 1906 Vereinigte Wäschefabriken Juhl & Helmke. 1912/13 ließ Hugo Juhl das Fabrikgebäude mit integrierter Unternehmerwohnung an der Viktoriastraße 48a errichten. Hier wurden Bett- und Tischwäsche, Nacht- und Unterwäsche sowie Herrenhemden und Damenblusen genäht.

Die erste große Krise der Wäschefabrik kam Ende der 1920er Jahre. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Firma stark expandiert und einen zweiten Nähsaal in der Viktoriastraße 65 in Betrieb genommen. Als Folge der großen Wirtschaftskrise schränkte Hugo Juhl den Produktionsumfang stark ein und konzentrierte die Fertigung auf das Gebäude in der Viktoriastraße 48a.
Der Firmengründer Hugo Juhl und seine Frau Klara waren jüdischen Glaubens. 1938 entschlossen sich Hugo Juhl und seine Familie noch vor der Zwangsarisierung jüdischer Geschäfte und Unternehmen zum Verkauf der Fabrik. Bis auf den Schwiegersohn überlebte die Familie das nationalsozialistische Regime nicht. Hugo Juhl verstarb am 10. Juni 1939 in Bielefeld an Kreislauf- und Nierenversagen. Seine jüngere Tochter Hanna war bereits 1933 mit ihrem Verlobten Fritz Bender in die Niederlande geflohen, wohin ihnen nach dem Tode Hugo Juhls die ältere Tochter Mathilde und seine Frau Klara folgten. Als die Nationalsozialisten im Mai 1940 die Niederlande besetzten, konnte Fritz Bender noch in einer abenteuerlichen Flucht mit einem Ruderboot nach England fliehen. Mathilde und Klara Juhl sowie Hanna Bender, geb. Juhl, mit der kleinen Tochter Marianne nahmen sich im Juli 1940 gemeinsam das Leben. Fritz Bender wurde in England als „feindlicher Deutscher” interniert und lebte nach dem Krieg in Kanada. Er starb am 25.11.2005 im Alter von 99 Jahren.
Am 26.11.2010 wurden vor dem Eingang zu Fabrik und Wohnhaus der Familie Juhl drei Stolpersteine verlegt im Gedenken an Klara, Mathilde und Hanna.
„Vereinigte Wäschefabriken Th. und G. Winkel”
Der Betrieb und die dazugehörigen Immobilien wurden 1938 von den Gebrüdern Theodor und Georg Winkel aus Dresden gekauft. Als Verleger katholischen Schriftguts waren sie mit der nationalsozialistischen Pressepolitik in Konflikt geraten und hofften, in der Wäscheproduktion eine neue Erwerbsmöglichkeit zu finden. Die Gebrüder Winkel betrieben das Unternehmen zunächst von Dresden aus. Drei Bielefelder Prokuristen leiteten die Firma, die ab 1941 Vereinigte Wäschefabriken Th. und G. Winkel hieß, kommissarisch. Nach der kriegsbedingten Auslagerung des Nähsaals im Jahre 1944 erfolgte im Frühjahr 1945 die Wiederaufnahme der Produktion in den alten Räumen in der Viktoriastraße. 1948 zogen Georg und Theodor Winkel mit ihren Familien nach Bielefeld in die Unternehmerwohnung und übernahmen selbst die Leitung der Fabrik.
In der Zeit des deutschen Wirtschaftswunders florierte die Fabrik mit Aussteuer und Leibwäsche. Doch auch für die Wäschefabrik Winkel bedeutete in den 1960er Jahren die immer stärker werdende Konkurrenz der Großunternehmen, die ihre Fertigung in so genannte „Billiglohnländer” verlegten, den Anfang vom Ende. Seit 1962 blieb jegliche Neuinvestition im Nähsaal aus, da sich das ständig verringernde Auftragsvolumen mit den bereits vorhandenen Maschinen abarbeiten ließ. In den 1970er Jahren bestand die Belegschaft schließlich nur noch aus vier Personen. 1981 starb Georg Winkel. Ein Konkurs blieb der Firma erspart. Nach dem Tode von Theodor Winkel im Jahr 1990 verzichteten die Erben auf die Verwertung der Einrichtung und der Gebäude. So blieben Fabrik und Wohnhaus mit dem Originalinventar erhalten.
„Sturmzeit”
Im Jahr 1998 wurde die Fabrik aufgrund ihrer einzigartigen Authentizität zur Filmkulisse und erwachte noch einmal zu neuem Leben. Für den Film Sturmzeit nach dem gleichnamigen Roman von Charlotte Link wurden einige Szenen im Nähsaal der Fabrik gedreht, der dazu in den Zustand der zwanziger Jahre zurückversetzt wurde.